Ein langer Balken in der Milchstraße

.

.

Der Balken in der Milchstraße ist länger, flacher, und erstreckt sich näher zur Sonne als bisher angenommen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik haben jetzt mehrere große Sternbeobachtungsprogramme kombiniert und konnten so die gesamte zentrale Region unserer Galaxie kartieren, die die Mehrzahl ihrer Sterne enthält. Weil der Balken mehr zur Sonne hin ausgerichtet ist, endet er auch näher bei uns: er hat deshalb einen größeren Einfluss auf die Bewegung der Sterne nahe der Sonne.
.

Ansicht der Milchstraße am südlichen Himmel. Man kann deutlich die galaktische Scheibe und die verbreiterte Zentralregion erkennen, den Bulge; die Schwankungen in der Sterndichte entstehen durch die Absorption von dazwischen liegendem Staub. Das galaktische Zentrum selbst ist durch dichte Gas- und Staubwolken verdeckt. © S. Brunier

Ansicht der Milchstraße am südlichen Himmel. Man kann deutlich die galaktische Scheibe und die verbreiterte Zentralregion erkennen, den Bulge; die Schwankungen in der Sterndichte entstehen durch die Absorption von dazwischen liegendem Staub. Das galaktische Zentrum selbst ist durch dichte Gas- und Staubwolken verdeckt.
© S. Brunier

Außerdem wird der Balken der Milchstraße umso flacher je weiter man sich vom Zentrum entfernt. Nahe seinem Ende wird der Balken dermaßen flach, dass die Wissenschaftler ihn dort „superflach“ nennen. Sie nehmen an, dass diese vorher unbekannte Komponente wahrscheinlich aus jüngeren Sternen besteht, die vor ca. einer Milliarde Jahren mit geringen Geschwindigkeiten geboren wurden.

Die Milchstraße gut zu kartieren ist schwierig: Die Sonne befindet sich nahe den Spiralarmen in der galaktischen Scheibe, so dass dichte Gas- und Staubwolken die Sicht auf das Zentrum verdecken (Abb. links). Für die jetzige Studie wurden deshalb vier große Beobachtungsprogramme unserer Galaxie gemeinsam untersucht: UKIDSS, VVV, 2MASS, und GLIMPSE (siehe Anmerkungen). Diese vier Projekte sammelten ihre Daten im Nahinfrarotwellenlängenbereich, für den die galaktischen Staubwolken durchlässiger sind.

Durch Kombination dieser Beobachtungsprogramme konnten die Wissenschaftler eine staubkorrigierte Ansicht der Sternverteilung in Richtung des Zentrums der Milchstraße erstellen, wie in Abb. unten gezeigt. Die Asymmetrie in dieser Abbildung wird durch die balkenförmige Form der Zentralregion verursacht, sowohl des Balkens wie des sogenannten „Bulge“, einer länglichen Verdickung im Zentrum der Milchstraße. Beide Komponenten sind so orientiert, dass ihr nahes Ende (Abb. unten) näher bei der Sonne liegt.
.

Diese Darstellung zeigt die Oberflächendichte der Sterne in der Milchstraße von der Sonne aus gesehen, zusammengesetzt aus den Daten von drei der Beobachtungsprogramme und extinktionskorrigiert. Der Bulge ist die verbreiterte Region in der Nähe des Zentrums; leicht asymmetrisch aufgrund des intrinsischen Balkens. Die Asymmetrie in der Scheibe auf der linken Seite des Bildes wird durch den flacheren, langen Balken außerhalb des Bulge verursacht. Grafik: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Diese Darstellung zeigt die Oberflächendichte der Sterne in der Milchstraße von der Sonne aus gesehen, zusammengesetzt aus den Daten von drei der Beobachtungsprogramme und extinktionskorrigiert. Der Bulge ist die verbreiterte Region in der Nähe des Zentrums; leicht asymmetrisch aufgrund des intrinsischen Balkens. Die Asymmetrie in der Scheibe auf der linken Seite des Bildes wird durch den flacheren, langen Balken außerhalb des Bulge verursacht.
Grafik: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

„Die Beobachtungsprogramme der letzten Jahre mit den neuen Messungen in der Balkenregion sind von unschätzbarem Wert, weil sie den Staub auf einer viel größeren Fläche durchdringen als je zuvor“, erklärt Christopher Wegg, Erstautor der Studie und Postdoc am MPE. „Somit ermöglichen sie uns, vollständige Karten von Balken und Bulge der Milchstraße zu erstellen.“

Diese Daten wurden dann in der Studie mit Modellgalaxien unterschiedlicher Formen verglichen. Abb. unten zeigt die Aufsicht der am besten zu den gemessenen Daten passenden Galaxie. Anders als in bisherigen Studien haben der Balken außerhalb des Bulge und der zentrale Bulge die gleiche Orientierung. Zusammen mit der Tatsache, dass der Bulge langsam und stetig in den Balken übergeht, führt dies die Wissenschaftler zu der Schlußfolgerung, dass Bulge und Balken zusammen eine einzige, verbundene Struktur bilden.

„Früher dachte man, dass der Bulge und der Balken zwei unterschiedliche Komponenten der Milchstraße seien – unsere neue Studie zeigt nun aber, dass sie tatsächlich der innere und äußere Teil ein und derselben Struktur sind,“ führt Ortwin Gerhard aus, Mitautor und leitender Wissenschaftler der MPE-Gruppe zur Galaxiendynamik. „Damit bleibt wenig Unterstützung dafür, dass der Bulge der Milchstraße aus einer frühen Periode vor der Bildung der Galaktischen Scheibe stammt“.
.

Das Bild oben zeigt das Milchstrassenmodell in Aufsicht, das die Abstände und Positionen der Sterne aus Abbildung 1 am besten widerspiegelt. Der zentrale Bulge und der längere Balken sind als eine zusammenhängende Struktur erkennbar. Das untere Bild zeigt dasselbe Modell in einer Seiten-Ansicht. Die charakteristische Form des Bulges, die hier sichtbar wird, kann auch in anderen Balkenspiralgalaxien beobachtet werden. Grafik: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Das Bild oben zeigt das Milchstrassenmodell in Aufsicht, das die Abstände und Positionen der Sterne aus Abbildung 1 am besten widerspiegelt. Der zentrale Bulge und der längere Balken sind als eine zusammenhängende Struktur erkennbar. Das untere Bild zeigt dasselbe Modell in einer Seiten-Ansicht. Die charakteristische Form des Bulges, die hier sichtbar wird, kann auch in anderen Balkenspiralgalaxien beobachtet werden.
Grafik: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Die Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass der Balken genau in der mittleren Ebene unserer Galaxie liegt, mit einer Abweichung von nur 0.1%: 15 Lichtjahre über die gesamten Ausdehnung von 15,000 Lichtjahren. „Es war wirklich überraschend, dass wir die Ausrichtung des Balkens relativ zur Sonnenbahn so genau messen konnten, und dass das Zentrum der Milchstraße so wenig gestört erscheint“, sagen die Wissenschaftler. „Wir müssen deshalb zurück zu unseren Galaxienentstehungsmodellen gehen um herauszufinden, ob diese Ergebnisse reproduziert werden können“.

Anmerkungen:

UKIDSS ist der United Kingdom Infrared Deep Sky Survey; VVV das Vista Variables des Via Lactea Programm; 2MASS der Two Micron All Sky Survey; GLIMPSE ist der Galactic Legacy Infrared Mid-Plane Survey Extraordinaire.

Original publication hier und hier

“The Structure of the Milky Way’s Bar Outside the Bulge”, Christopher Wegg, Ortwin Gerhard and Matthieu Portail, MNRAS

Frühere Ergebnisse zum Zentrum der Milchstrasse

Webseite

Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

 

.

.

.

.

.

.

.

.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.