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Neue Anhaltspunkte, wie Schwarze Löcher Materie verschlingen
Mit Archivdaten aus der Himmelsdurchmusterung des „Sloan Digital Sky Survey“, ergänzt durch Daten der XMM-Newton- und Chandra-Röntgenteleskope, entdeckten Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik ein riesiges schwarzes Loch, während es wahrscheinlich einen großen, nahen Stern zerriss und verschlang. Mit einer Masse die 100 Millionen Sonnen entspricht, ist es das größte schwarze Loch, das bisher bei einem derartigen Vorgang beobachtet werden konnte. Die Ergebnisse der Studie werden diesen Monat im Journal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ veröffentlicht.
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Dr. Andrea Merloni und die Mitglieder seines Teams am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München werteten das riesige Datenarchiv des „Sloan Digital Sky Survey“ (SDSS) aus, in Vorbereitung auf eine zukünftige Satellitenmission im Röntgenbereich. Die SDSS-Himmelsdurchmusterung beobachtet regelmäßig einen großen Teil des Nachthimmels im optischen Licht. Dazu werden Spektren von Millionen Galaxien und Schwarzen Löchern genommen. Aus unterschiedlichen Gründen wurden für einige Objekte mehrmals Spektren aufgenommen. Als sich das Team eines dieser Objekte mit mehreren Spektren – mit der Katalognummer SDSS J0159+0033 – genauer ansah, fiel ihnen eine erstaunliche Veränderung auf.
„In der Regel ändern sich Galaxien nur unwesentlich im Laufe des Arbeitsleben eines Astronomen, also auf einer Zeitskala von Jahren oder Jahrzehnten“, erklärt Andrea Merloni, „aber dieses Objekt zeigte eine dramatische Veränderung seines Spektrums, genau so, als ob das zentrale Schwarze Loch ein- und wieder ausgeschaltet wurde.“
Dies passierte zwischen 1998 und 2005, aber niemandem war das seltsame Verhalten dieser Galaxie aufgefallen – bis Ende letzten Jahres, als zwei Gruppen von Wissenschaftlern bei der Vorbereitung zur nächsten (vierten) Generation der SDSS-Himmelsdurchmusterung unabhängig über diese Daten stolperten [1]. Durch einen glücklichen Zufall machten die beiden wichtigsten derzeitigen Röntgenobservatorien, XMM-Newton der ESA und Chandra der NASA, zeitnah zum Maximum des Aufleuchtens ebenfalls Bilder dieser Himmelsregion, und noch einmal etwa zehn Jahre später. Diese hochenergetische Strahlung lieferte den Astronomen einzigartige Informationen, wie das Material in unmittelbarer Nähe zum zentralen schwarzen Loch verarbeitet wird.
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Gigantische Schwarze Löcher gibt es in den Zentren aller großen Galaxien im Universum. Die meisten Astronomen gehen davon aus, dass sie ihre enorme, heute-beobachtete Größe, größtenteils durch die Fütterung mit interstellarem Gas erreichten. Das Gas ist dabei nicht in der Lage, der riesigen Anziehungskraft des Schwarzen Lochs zu entkommen und wird von diesem verschlungen. Ein solcher Prozess erfolgt über eine sehr lange Zeit (Dutzende bis Hunderte von Millionen Jahren) und kann aus einem relativ kleinen Schwarzen Loch, das bei der Explosion eines schweren Sterns erzeugt wird, ein Super-Schwergewichts-Monster machen, wie sie im Zentrum von Galaxien lauern.
Allerdings enthalten Galaxien auch mehrere Milliarden Sterne. Einige Pechvögel davon können zu nahe an das zentrale Schwarze Loch geraten, wo sie durch extreme Gezeitenkräfte auf spektakuläre Weise zerrissen werden. Überreste des Sterns wirbeln Stück für Stück in das Schwarze Loch und produzieren riesige Strahlenausbrüche, die einige Monate bis zu einem Jahr lang so hell wie alle übrigen Sterne in der Galaxie aufleuchten. Diese seltenen Ereignisse nennt man „Tidal Disruption Flares“ (TDF).
Dr. Merloni und seinen Mitarbeiter war schnell klar, dass das beobachtete Aufleuchten [2] nahezu perfekt die Erwartungen der theoretischen Modelle erfüllt. Da sie ihre Entdeckung außerdem einem glücklichen Zufall verdankten, erkannten sie bald, dass ihr System um einiges eigentümlicher war als die wenigen, die bis jetzt gefunden wurden [3]. Mit einer geschätzten Masse von 100 Millionen Sonnenmassen, handelt es sich nämlich um das größte Schwarze Loch, das beim „Stern-zerreißen“ bisher je entdeckt wurde.
Die schiere Größe des Systems ist jedoch nicht die einzige interessante Aspekt dieses Strahlungsausbruches; es ist auch das erste System, bei dem die Wissenschaftler mit einiger Sicherheit annehmen können, dass sich das Schwarze Loch in jüngster Zeit (ein paar Zehntausende von Jahren) standardmäßig von interstellarem Gas ernährte. Dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, welchen Speiseplan Schwarze Löcher haben – eine gute Mischung aus Sternen und Gas.
„Louis Pasteur sagte: ‚Der Zufall begünstigt den vorbereiteten Geist‘. Aber in unserem Fall war niemand wirklich bereit“, wundert sich Dr. Merloni. „Wir hätten dieses einmalige Objekt bereits vor zehn Jahren entdecken können, aber wir wussten nicht, wonach wir suchen müssen. In der Astronomie geschieht es recht häufig, dass wir den Fortschritt in unserem Verständnis des Kosmos zufälligen Entdeckungen verdanken. Jetzt haben wir eine bessere Vorstellung davon, wie wir mehr solche Ereignisse finden können; und zukünftige Instrumente werden unsere Reichweite erheblich erweitern.“
In weniger als zwei Jahren wird das neue leistungsstarke Röntgenteleskop eROSITA, das derzeit am MPE gebaut wird, auf dem russisch-deutschen SRG-Satelliten in die Umlaufbahn gebracht werden. Es wird den gesamten Himmel mit der richtigen Taktung und Empfindlichkeit durchmustern, und dabei hunderte neuer TDFs zu entdecken. Auch große optische Teleskope werden derzeit entwickelt und gebaut, um den zeitlich veränderlichen Himmel zu studieren. Diese Beobachtungen werden wesentlich zur Lösung des Rätsels um die Ernährung Schwarzer Löcher beitragen. Die Astronomen müssen vorbereitet sein, diese dramatischen letzten Augenblicke im Leben eines Sterns einzufangen. Und selbst wenn sie bereit sind: der Himmel wird mit immer neuen Überraschungen aufwarten.
Hinweise:
1. Die zweite Gruppe, die unabhängig die seltsame Lichtkurve dieses Objekts entdeckte, waren Stephanie Lamassa (Yale) und ihre Mitarbeiter. Sie waren die ersten, die ihre Beobachterkollegen auf dieses Objekt aufmerksam machten, allerdings war die Interpretation eines zerstörten Sterns für dieses Ereignis nicht Teil ihrer Untersuchung.
2. Die aktuelle Studie wird in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (siehe unten) veröffentlicht.
3. „Tidal Disruption Flares“ sind sehr selten, sie ereignen sich nur etwa einmal in einigen Zehntausenden Jahren in einer Galaxie wie unserer Milchstraße. Weil sie darüber hinaus auch nicht sehr lange andauern, sind sie sehr schwer zu finden. Nur etwa zwanzig wurden bisher genauer untersucht. Mit der Inbetriebnahme neuer, größerer Teleskope, die entwickelt wurden um große Bereiche des Himmels in kurzer Zeit zu überdecken, werden mehr und mehr dedizierte Suchen durchgeführt, wodurch die Häufigkeit neuer Entdeckung rasant zunimmt.
Originalveröffentlichung
„A tidal disruption flare in a massive galaxy? Implications for the fuelling mechanisms of nuclear black holes“ A. Merloni, T. Dwelly, M. Salvato, A. Georgakakis, J. Greiner, M. Krumpe, K. Nandra, G. Ponti, A. Rau MNRAS 23 July 2015 – http://esoads.eso.org/abs/2015arXiv150304870M
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